Julia-Marie Stache

Hochentzündlich


Hochentzündlich“, stand auf der Spraydose. So sollte es auch sein, sagten sie. Ich hatte kein Geld um mir dieses Haarspray zu kaufen, das erklärte ich ihnen auch. Als sie sagten, ich solle es mir verdienen, wusste ich nicht, was sie meinten. Rückblickend kann ich sagen, dass es zu diesem Zeitpunkt schon zu spät war um ihren Händen zu entkommen.

Ich hatte sie immer bewundert. Da ich nicht gerade ein Schwächling war, gingen sie mit mir nie so um wie mit den Kleineren. Sie raubten sie aus, verprügelten sie und spielten ihnen üble Streiche. Wie konnte ich all dies nie mitbekommen?

Und nun sollte ich mir auf diese Weise Geld für das Haarspray „verdienen“. Es war zwar nicht teuer, doch Taschengeld bekam ich nicht. „Du musst ja nur einem einzigen die Taschen entleeren!“, hieß es.

Ja, das wusste ich, doch sollte ich es wirklich tun? Meine Eltern würden mir bestimmt kein Geld für Haarspray geben! „Oder bist du doch zu feige für uns?“, fragte mich Sam, der Anführer der „Wilden Frösche“. Alle hielten ihn für den Coolsten der Schule, ich auch. Er hatte diese Gang vor zwei Jahren gegründet. Seitdem blickten viele zu ihm auf, viele aber eher aus Furcht. Jeder wollte Mitglied werden, doch so leicht war das nicht, wie ich bald feststellte.

Natürlich nicht! Ich werd’s tun, morgen vor der Schule.“, hörte ich mich sagen. Hoffentlich zitterte meine Stimme nicht so sehr.

Ich klaute einem kleinen Jungen namens Jimi sein Geld, nun ja, er gab es mir sogar freiwillig, um nicht verprügelt zu werden. Er hatte wahrscheinlich schon Erfahrung mit dieser Gang.

Ich hatte jetzt zwar das Geld, doch zögerte ich, mir das Haarspray in dem Laden gleich um die Ecke zu kaufen. Dort könnte mich ja jeder erkennen! Doch das sollte der ganzen Sache noch einen gewissen Reiz geben, sagten sie mir.

Am Nachmittag, bevor ich „das große Meisterwerk“, wie sie es belustigt nannten, vollbringen sollte, trafen wir uns in Sams Schuppen. Den hatten sie zusammen gebaut, als sie, wie es mir durch den Kopf schoss, noch jung und unschuldig waren.

Also, Philip, du weißt, wieviel auf dem Spiel steht: Eine einmalige

Gratis-Mitgliedschaft bei den Wilden Fröschen!“, lachte Sam. Für ihn wäre es wahrscheinlich eine Kleinigkeit, ein Spiel. Doch für einen Anfänger wie mich?! Doch zweifelte ich keinen Augenblick, dass es meine Bestimmung war, ein Frosch zu werden.

Um mir vertrauen zu können, ließen sie mich allein in den Wald ziehen.

Am nächsten Tag sagte ich ihnen, ich hätte das Feuerzeug vergessen.

Sie gaben mir allerdings noch eine Chance.

Ich sah den schönen Wald vor mir, das große Feld mit dem riesigen Holzhaufen neben dem Regenwasser-Teich. Und bis der Brand bemerkt wäre, wäre der halbe Wald abgefackelt. Doch ich wäre in Sicherheit. Wieso machte ich mir überhaupt keine Gedanken über mein Schicksal? Vielleicht wollte ich es gar nicht wissen. Noch mal konnte ich sie nicht wegen des Feuerzeugs anlügen.

Ganz so dumm waren sie nicht. Also zog ich mit allem, was ich für ihr Meisterwerk brauchte, zu dem Holzhaufen.

Noch den ganzen Abend quälte mich der Gedanke, was sie mit mir anstellen würden. Dabei war es schon passiert. Auch wenn ich ziemlich tief gesunken war, hatte ich noch ein wenig Pflichtgefühl um wenigstens meine Hausaufgaben zu machen. Doch was ich in meinem Rucksack fand, war nur Asche. Staubige, schwarze Asche. Sie hatten alle meine Schulsachen verbrannt- wie sollte ich das nur meinen Eltern beibringen? Wie sollte ich für den Schaden aufkommen? Und wann konnten sie das überhaupt getan haben? In der Sportstunde? Doch nun war es sowieso zu spät sich das zu fragen.

Da begriff ich, wie ernst es ihnen war. Würden sie mich nun jemals wieder in Ruhe lassen, vor allem nach dem heutigen Abend? Es war schlimmer als es sich anhörte.

Nur wenige Sekunden nach diesem Gedanken klingelte das Telefon. Sam war am andern Ende.

Diesmal kommst du da nicht so leicht wieder raus. Du hast die Spraydose liegen lassen. Jeder hätte sie finden können, du Idiot! Komm sofort zum Holzhaufen, sonst müssen wir leider kommen und dich holen. Aber pass auf dich auf, wir wollen doch nicht, dass du auch so ein paar Fünkchen abbekommst!“ Er legte auf.

Das konnte nicht sein Ernst sein! Was hatten sie sich für mich überlegt? Wollten sie mich verbrennen? Ich kann nicht glauben, dass ich wirklich mit dem Gedanken gespielt habe, zu diesem Treffen zu gehen. Doch in dieser Situation wusste ich wirklich nicht, wem ich mich anvertrauen sollte oder was ich tun könnte.

Meine Mutter kam ins Zimmer.

Darf ich kurz stören, Philip?“

Ich war wirklich erleichtert sie zu sehen, obwohl ich ihr nichts davon erzählt hätte. „Ja, klar, was gibt’s denn?“

Ich habe tolle Neuigkeiten. Dein Vater ist befördert worden: Wir werden nach Mainz ziehen! Ich hoffe es macht dir nichts aus wegen dem Schulwechsel und deinen Freunden!“

Natürlich war ich sehr froh über diese Nachricht, doch würde mir das wirklich helfen? Wir würden ja nicht gleich morgen da hinziehen! Ich war mir nicht sehr sicher, ob es das Problem lösen würde. Was sie bis dahin noch alles mit mir anstellen könnten! Die Vorstellung sie morgen wieder zu sehen, ließ mich erschauern.