Die schönste Überraschung meines Lebens

Ich bin Emily und 13 Jahre alt. Ich lebe mit meinen Eltern in Las Vegas. Ja, Las Vegas! Jetzt denkt ihr bestimmt: „Wow - purer Luxus!" Das dachte ich auch, als wir eingezogen sind. Damals war ich noch neun. Mein Vater bekam ein Angebot als Hotelmanager von einer führenden Hotelkette. Jetzt haben wir ein großes Haus und ich habe keine richtige Freiheit mehr. Meine Eltern machen sich immer so viele Sorgen um mich. Das Schlimmste ist, dass ich ein Einzelkind bin. Das gibt dann doppelt so viele Sorgen. Ich darf nicht alleine durch die Stadt gehen und darfauch sonst nichts machen außer Haus.

Als wir noch in Deutschland lebten, hing ich sehr an meinen Großeltern. Meine Großeltern konnten uns hier jedoch nie besuchen, weil ihnen die Reise zu lang dauert. Das kann ich auch gut nachvollziehen, denn 10 Stunden in engen Stuhlreihen eines Flugzeugs zu sitzen ist nicht so angenehm. Wir konnten auch nicht zu ihnen fliegen, weil mein Vater nicht genug Urlaub bekam.

Drei Wochen vor Weihnachten ist Las Vegas ein leuchtender Stern. Alles ist geschmückt, na ja, meiner Meinung nach zu kitschig.
Am dritten Dezember glaubte ich, ich hätte das schönste Weihnachtsgeschenk von allen bisherigen bekommen. Es war ein bisschen früh für ein Weihnachtsgeschenk, aber es war tatsächlich eines. Ich bekam von meinen Großeltern eine Einladung, sie über Weihnachten alleine zu besuchen. Ich wünschte mir schon so lange, sie zu sehen, doch Weihnachten ohne meine Eltern...! Ich besprach alles mit ihnen. Sie sagten, ich solle die Einladung doch unbedingt annehmen. Ich fragte sie, ob sie nicht mitkommen wollten, doch mein Vater wollte das Hotel nicht alleine lassen und das wurde wohl auch so von ihm erwartet. Ich war sehr traurig, dass sie nicht mitkommen konnten, doch meine Großeltern wollte ich unbedingt sehen. Also riefen wir sie an und ich sagte ihnen, wann ich kommen würde. Sie freuten sich sehr. Es war schön, die Stimme von ihnen zu hören. Dann packte ich schon meinen Koffer voller Freude. Mein Vater buchte sofort das Ticket.

Es war der 12. Dezember und es war mein letzter Schultag. Es war der Tag des Abflugs und ich war sehr nervös in der Schule. Um 17 Uhr ging mein Flug. Meine Mutter brachte mich zum Flughafen. Es war das erste Mal, dass ich alleine flog, aber es war kein Problem. Ich saß im Flugzeug und fragte mich, ob mich meine Großeltern wohl wiedererkennen würden. Ich schaute mir oft das Bild meiner Großeltern an, das sie mir geschickt hatten. Sie sahen immer noch so aus wie früher. „Bitte, schnallen Sie sich wieder an, das Flugzeug wird bald landen", hörte man von einer Flugbegleiterin durch das Mikrofon. Ich hatte meinen Koffer schon vom Laufband geholt und ging Richtung Ausgang. Sofort erkannte ich meine Großeltern und sie mich. Ich lief so schnell es ging, zu ihnen hinüber. Meine Oma und mein Opa nahmen mich sofort in den Arm. Dann gingen wir glücklich zum Auto. Ich erzählte ihnen alles, was mir in den Sinn kam, bis mich meine Oma irgendwann stoppte. Sie sagte: „ Schau mal aus dem Fenster, Emily, wir sind jetzt in Hamburg. Erinnerst du dich noch daran?" Ich schaute aus dem Fenster und rief: „Ja, na klar weiß ich das noch." Wegen meiner ganzen Erzählerei hatte ich gar nicht mitbekommen, dass wir schon mitten in Hamburg waren. Mein Opa fragte mich: „ Kennst du noch den Weihnachtsmarkt? So etwas Schönes habt ihr nicht in Las Vegas, nicht wahr?" „Ach ja, die Weihnachtsmärkte. Die habe ich wirklich vergessen. So etwas Gemütliches und Schönes gibt es in Las Vegas wirklich nicht." Da hatte mein Opa Recht. Als wir bei meinen Großeltern zu Hause waren, packte ich meinen Koffer aus und ging wieder hinunter ins Wohnzimmer. Mein Opa hatte den Kamin schon angemacht. Es war ein richtig schöner Abend zu dritt. Wir lachten viel und spielten Spiele. Meine Oma erzählte mir, dass ein Mädchen in meinem Alter nebenan wohne. Sie könne am nächsten Tag vorbeikommen, wenn ich das wollte. Ich war damit einverstanden und freute mich schon auf sie.

Am nächsten Morgen klingelte es an der Haustür und ich machte auf. Da stand ein Mädchen in meiner Größe vor mir. Sie reichte mir die Hand und sagte ganz aufgeschlossen: „Hallo, mein Name ist Anna und du bist Emily, nicht wahr?'"„Ja", sagte ich. „Komm doch herein!" Dann kamen meine Großeltern um die Ecke. Anna fragte meine Oma, ob es in Ordnung sei, wenn sie mir mal Hamburg zeigen würde. Wir fuhren mit der S-Bahn. Sie stellte mir viele Fragen und wollte alles über mein Leben wissen. Danach erfuhr ich von ihr, wie sehr sie meine Großeltern mochte und dass sie mich um sie beneidete, denn sie hatte keine Großeltern mehr. Ich erzählte ihr, dass ich nicht so viel von meinen Großeltern hatte, denn wir hatten uns ja vier Jahre lang nicht gesehen.

Um 17 Uhr waren wir wieder zurück. Anna ging nach Hause und ich half meiner Oma, sauber zu machen. Dabei berichtete ich alles, was ich an dem Tag erlebt hatte. Meine Oma hört mir immer zu, wenn ich ihr etwas erzähle. Das war auch früher so, ganz anders als meine Eltern, die ständig in Hetze sind. Mein Opa kam in die Küche und sagte: „Emily, zieh dir etwas Warmes an. Wir haben noch etwas vor und es ist sehr kalt draußen." Was das wohl sein könnte, dachte ich. Meine Großeltern und ich stiegen in den Wagen. Wir fuhren auf den Weihnachtsmarkt nach Hamburg. Nachdem mein Opa in einer Seitenstraße einen Parkplatz gefunden hatte, liefen wir los. Der Weihnachtsmarkt mit den vielen Leckereien und den schönen Verkaufsständen beeindruckte mich sehr. Mein Großvater trank Glühwein und meine Oma und ich teilten uns geröstete Mandeln. Die Sterne leuchteten am Himmel und es war bestmimt der schönste Abend, den ich je mit meinen Großeltern verbracht habe. Am 23. Dezember kam Anna noch kurz für eine Stunde vorbei. Ich saß vor dem Kamin und war ein wenig traurig, dass meine Eltern am Heiligabend nicht dabei sein konnten. Meine Oma setzte sich zu mir und sah, dass ich betrübt war. Sie versuchte, mich abzulenken und fragte mich, ob es mir bis jetzt gefallen habe. Ich sagte:, Ja, es ist super hier. Weißt du Oma, ich kann mir Weihnachten nur nicht ohne meine Eltern vorstellen." „Das verstehe ich", meinte meine Oma tröstend. An diesem Abend ging ich schon um 21 Uhr ins Bett. Ich war todmüde.

Am nächsten Morgen wachte ich schon um 7 Uhr auf. Irgendetwas kitzelte mich an meinem Fuß. Meine Eltern standen lächelnd neben meinem Bett. Erst dachte ich, ich hätte geträumt, aber dann sprang ich hoch und umarmte sie. Sie erzählten mir, dass mein Opa sie gestern Abend am Flughafen abgeholt hatte. Mein Vater hatte doch noch kurzfristig Urlaub bekommen. „Wir wollten dich damit überraschen", sagte meine Mutter und die Überraschung war ihnen wirklich gelungen.

So feierten wir Weihnachten als ganze Familie, wie ich es mir schon immer gewünscht hatte: Jung und Alt zusammen!

Katharina Gutow