Johanna Blume: Das Amulett
Es war ein kalter, dunkler Dezembernachmittag, als sich Folgendes abspielte. Ich ging in den Wald um Tannenzapfen für mein Baumprojekt zu sammeln. Doch als ich mich auf dem schmalen Waldpfad befand, dämmerte es schon und Nebel zog auf.
Die alte Tanne, an der so viele große Zapfen hingen, lag tief im Wald. Als ich dort angekommen war, konnte ich kaum noch etwas sehen. Plötzlich hörte ich in der Dunkelheit helle, schrille Schreie, sie kamen direkt auf mich zu und wurden von Flügelschlägen unterschützt. Ich drehte mich um und konnte mich im letzten Moment noch ducken. Über meinen Kopf flog eine ganze Kolonne Fledermäuse hinweg. Sie sahen gar nicht wie die echten Fledermäuse aus. So leuchtend schwarz, mit so großen, langen Zähnen. Plötzlich war der Wald geheimnisvoller als je zuvor, die Bäume begannen sich zu bewegen, der Weg schwankte sanft hin und her. Nun passierte es, die größte und gruseligste Fledermaus landete ungefähr drei Meter vor mir. Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Sie verwandelte sich mit einem Puff in eine graue, blasse Gestallt, die eine viel zu große Geiernase und rote glühende Kohleaugen hatte. Der Mund war von Blut gefärbt. Außerdem ächzte und stöhnte das Ungeheuer so scheußlich, dass ich mir die Ohren zu hielt. Ich wollte rennen, einfach wegrennen. Aber meine Füße klebten am Boden fest, so dass ich mich nicht bewegen konnte. Nun kam das Scheusal direkt auf mich zu. Ich schrie aus Leibeskräften um Hilfe. Doch keiner kam um mir zu helfen. Mein Selbstvertrauen sank auf den Nullpunkt. Dann hatte ich auf einmal eine tolle Idee. Mit den Tannenzapfen bewarf ich das dunkle Geschöpf. Es klappte, die Gestallt zog sich zurück. Leider gingen mir die Tannenzapfen bald aus und die verwandelte Fledermaus kam wieder auf mich zu. Ich guckte sie genauer an. Als ich in ihre Augen sah, fing sie an mich zu hypnotisieren. Der Boden schwankte unter meinen Füßen. Mein Körper sank auf den weichen Pfad und die graue Gestallt setzte zum Biss an. Plötzlich blitzte ein ganz heller Sonnenstrahl hinter einer Tanne hervor. Ich fand mich auf dem kalten, feuchten Waldboden wieder.
Die grausige Gestallt und seine Artgenossen lösten sich in diesem Moment mit einem Mal in Luft auf. Stattdessen lag vor meinen Füßen ein bronzenes, schwarzes, mit einer Schlange versehenes Amulett. Es war so schön, dass ich es an mich nahm. Auf dem Heimweg entschloss ich mich, meiner Mutter nichts von alledem zu erzählen, um sie nicht zu beunruhigen.
Als ich zu Hause war, schlich ich mich in mein Zimmer und machte mich bettfit. Das Amulett lag unter meinem Kopfkissen. Ich schlief sofort ein und träumte mir irgendwelchen Quatsch zusammen von Fledermäusen, grauen Männern und einem Amulett. Als ich aufwachte, suchte ich gleich das Amulett. Es war aber nicht zu finden. Ich suchte unter dem Kopfkissen, in meiner Hosentasche und in meinem ganzen Zimmer. Aber ich fad es einfach nicht. Stattdessen fand ich einen Tannenzapfen in meiner Hosentasche. Ich wunderte mich und dachte: ,,War das alles nur ein Traum gewesen, aber wen dann ein ziemlich echter Traum?“
Johanna Blume