Auch Goethe ändert sich mit der Zeit
Stormarn-Schüler diskutierten über die Rechtschreib-Reform
Ahrensburg (da). Vor wenigen Wochen geisterte sie durch die
Nachrichten, die Meldung der erneuten Reform der immer noch
umstrittenen Rechtschreibreform. „Ich hab' von den ganzen
nachträglichen Änderungen der Reform gar nicht so viel mitbekommen",
sagt Gregor, „nur aus der Presse."
An der Schule waren die Änderungen der geänderten Rechtschreibung kaum
ein Thema. Gregor ist Schüler an der Stor-marnschule, besucht in der
zwölften Stufe den Deutsch-Leistungskurs. Schreiben gelernt hat er noch
nach den alten Regeln. „Der erste Wechsel hat noch Sinn gemacht",
bilanziert er. Mitschüler Clemens pflichtet ihm bei: „Die erste
Umstellung konnte ich noch gut umsetzen." Auch wenn der Gymnasiast
zugibt: „Die Getrennt- und Zusammenschreibung fällt mir jedoch manchmal
schwer." Die Regeln seien in diesem Punkt nicht sehr einleuchtend.
Manchmal werde, so der Schüler, sogar der Sinn dadurch verändert, däss
ein Wort auseinander statt zusammen geschrieben wird.
Derzeit lesen die Schüler Goethes „Faust". Nach alter Orthographie zu
lesen und nach neuer zu schreiben fällt den Schülern nach eigenem
Bekunden jedoch nicht schwer. Ob nun „daß" oder „dass" im Buch stehe,
sei keine Hürde - und der Sinn ändere sich schließlich auch nicht.
„Auch die Klassiker ändern sich ja von Auflage zu Auflage", erklärt
Leistungskurs-Lehrer Christian Spickermann, „wir lesen gleich eine
Stelle, da hat Goethe einen Doppelpunkt gesetzt. Nun steht dort ein
Semikolon." Auch wenn diese Änderungen eher klein sind: Die Schreibung
ändert sich stetig. „Sprache ist ja etwas Dynamisches", bemerkt
Florian.
Kritik an der Rechtschreib-Reform kommt auch von den Schülern. Diese
ist jedoch eher ästhetischer Natur. Clemens: „Es sieht einfach nicht so
schön aus, wenn man ,Portmonee' schreibt." Es gehe viel verloren, wenn
man den geschriebenen Wörtern nicht mehr ansieht, dass die Begriffe aus
dem Griechischen oder Französischen stammen. „Lehnwörter kann man ja
immer noch so schreiben wie ursprünglich", pflichtet Mitschülerin
Kerstin bei.
Der Behauptung, die Mehrzahl der geänderten Schreibweisen sei durch die
ständigen Reformen wieder zurückgenommen worden, widerspricht
Spickermann allerdings: „98 Prozent von dem, was reformiert worden ist,
ist immer noch aktuell." Und schmunzelnd fügt der Lehrer hinzu: Auch
bei den Verlagen, die aus Protest gegen die Reform zur alten
Rechtschreibung zurückkehrten, schlichen sich neue Schreibweisen ein -
„und manche Wörter sind in der neuen und der alten Schreibung falsch."
Für seine Schüler findet Spickermann nur lobende Worte: Die Mehrheit
mache äußerst wenig Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler. „Seit der
Reform muss ich weniger Fehler korrigieren."
Einen Niedergang der Kultur, wie manche Reform-Kritiker ihn immer
wieder beschreien, kann Schüler Malte nicht erkennen: „Ich sehe keine
so große Kopplung zwischen Sprache und Schrift." Wie etwas geschrieben
würde sei besonders dann unerheblich, wenn jemand keinen
grammatikalisch korrekten Satz bilden könne. „Außerdem gibt es bestimmt
wichtigere Probleme, über die man diskutieren sollte, statt die
reformierte Rechtschreibung."
Sein persönliches Fazit der Reform: „Ich hatte vorher keine gute
Rechtschreibung und habe jetzt auch keine - für mich hat sich also
wenig geändert."
Quelle: Markt 25. März 2006
- Veröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis des Verlages
Homepage der Stormarnschule Ahrensburg
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