Sie ist Chefin, sie ist Mutter - Jeanette Rouvel kämpft für Chancengleichheit im Job
Ahrensburg. In einer Hand das Telefon,
Akten - daneben Babyfon und Milchfläschchen. Fast jeden Abend
sitzt Jeanette Rouvel so bis Mitternacht an ihrem Schreibtisch und
versucht, den Spagat zwischen Mutterdasein und Arbeit zu schaffen. Die
36-jährige Ahrensburgerin ist eine von wenigen weiblichen
Führungskräften im Kreis Stormarn. Seit 2008 leitet sie die
Geschicke des Software-Entwicklers SPI und ist für 40 Mitarbeiter
verantwortlich.
Sie weiß, dass viele Frauen sich irgendwann entscheiden
müssen und vor der Frage stehen: Karriere oder Familien. Sie aber
will beides. Seit der Geburt ihres acht Monate alten Sohnes verbringt
sie den halben Tag im Büro im Ahrensburger Industriegebiet und den
Abend im Home-Office. "Man ist schon latent dauerübermüdet,
weil man nicht viel schläft. Das braucht sehr viel Kraft und einen
starken Willen. Und es geht nur, wenn der Mann mitmacht und Teilzeit
arbeitet", sagt die 1,83 Meter große Geschäftsführerin.
Sie selbst hat mit ihrem Lebensgefährten schnell eine Lösung
gefunden. Er hat die Elternzeit in Anspruch genommen, während sie
nach acht Wochen nach der Geburt ihres Sohnes Jules Rocca wieder im
Chefsessel saß.
In Deutschland ist das noch immer die Ausnahme. Für viele Frauen bedeutet die Entscheidung für ein Kind meistens einen Karriereknick. "Das wird uns hier nicht sehr einfach gemacht, aber es ist möglich - wenn Unternehmer bereit sind, eine Atmosphäre zu schaffen, dass sich auch Männer ganz selbstverständlich an der Familienplanung beteiligen", ist sich Rouvel sicher. Sie selbst würde eine Frau, die ihre Arbeit gut macht, nie wegen Familienplänen gehen lassen. "Es ist wichtig, den Frauen dann gute Möglichkeiten zu geben, beides miteinander verbinden zu können. Das ist auch billiger, als eine neue Kraft neu einzuarbeiten", sagt Rouvel nachdrücklich. Ein Grund mehr für Unternehmen, die Türen für Frauen mit Familie nicht zu schließen.
Von der Zwangseinführung von einer 30-Prozent-Frauenquote in
der deutschen Wirtschaft, wie sie sich Arbeitsministerin Ursula von der
Leyen vorstellt, hält Rouvel nichts. Es sei fraglich, ob das
überhaupt zu realisieren sei. Gerade in typischen
Männerdomänen wie der IT-Branche oder im Maschinenbau sei es
sehr schwierig. "Und wer möchte schon Quotenfrau sein? Also ich
will das nicht", sagt Rouvel.
Viel mehr sollten Unternehmen selbst an den Ursachen arbeiten - und
umdenken lernen. "In vielen Betrieben wird es immer noch sehr negativ
angesehen, wenn Männer die Elternzeit anmelden", weiß
Rouvel. Und dann seien es meist nur zwei Monate. Das bringe den
Müttern aber meist gar nichts. Sie und ihr Lebensgefährte
Michael Bauch, 39, aber hatten Glück. Sein Arbeitgeber, eine
Reederei in Neu Wulmstorf, zeigte sich familienfreundlich. "Solche
positiven Beispiele müssen sich noch 'rumsprechen", so Rouvel.
Sie selbst will das Thema demnächst beim Hamburger
Unternehmverband "Die Jungen Unternehmer" (BJU) ansprechen. Seit vier
Jahren sitzt sie neben Job und Familie dort im Vorstand. "Mein Ziel ist
es, gerade jüngere Unternehmer für das Thema zu
sensibilisieren." Viele würden bereits das Arbeiten von zu Hause
anbieten. Gerade für Väter und Mütter sei dies perfekt.
"Die Leute sind so meist viel produktiver. Und wenn ein Kind mal krank
ist, braucht sich der Mitarbeiter nicht krankschreiben zu lassen,
sondern kann bequem von zu Hause aus arbeiten. Wann die Arbeit gemacht
wird, ist doch egal. Entscheidend sind die Ergebnisse und die
Erreichbarkeit."
Ein großes Problem in vielen Regionen in Deutschland sei es
aber nach wie vor, dass es noch immer viel zu wenige Krippenplätze
gibt. Rouvel selbst habe bereits überlegt, sich mit anderen
Unternehmen im Gewerbegebiet zusammenzuschließen und eine eigene
Kindertagesstätte zu gründen. Doch nun setzt sie alle
Hoffnungen auf Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach. "Er macht
sich für eine Kita hier im Gewerbegebiet stark. Das ist
natürlich fantastisch, vor allem, weil man auch in der
Mittagspause dann einfach mal schnell rüber zum Kind laufen kann",
sagt sie strahlend.
Doch manchmal sei sie da, die Befürchtung, von anderen als
schlechte Mutter angesehen zu werden. "Andere verbringen mit ihren
Kindern mehr Zeit, gehen mit ihnen zu verschiedenen Kursen. So was
kriegen wir natürlich nicht hin. Aber Jules gedeiht prächtig
und er sieht auf diese Weise beide Elternteile gleich viel", sagt sie.
Dann lächelt sie und sagt: "Und das wichtigste ist: Wir sind so
sehr glücklich."
Quelle: aus: Hamburger Abendblatt/Stormarn 15. Februar 2011 - Veröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis des Verlages